„Morton Mies ist die personifizierte Depression, verkörpert von einer Puppe. Im Gespräch mit einer Psychotherapeutin beantwortet Morton Mies bereitwillig Fragen. Seine Antworten zeigen, wie die Depression Einfluss und Macht auf das Leben ausübt. Weniger bereitwillig antwortet Morton Mies, wenn es um seine Schwächen geht. Hier zeigt sich, woran Morton Mies scheitert und wie Betroffene ihre Handlungsfähigkeit zurückgewinnen können. Die Zugangsweise mit einer Puppe bringt etwas Spielerisches in die Auseinandersetzung mit dem Problem und macht die Zusammenarbeit von Experten, Klienten und Angehörigen anschaulich. Letztere können besser verstehen, dass die Depression von der leidenden Person „externalisiert“, d. h. getrennt gesehen, werden kann. Verhaltensweisen, die Depressionen begünstigen, können so ohne Schuldzuweisung angesprochen werden. Außerdem motiviert der neugierige und forschende Zugang der Interviewerin Klienten und deren Angehörige dazu, nach eigenen Bewältigungsstrategien Ausschau zu halten.“
(http://www.carl-auer.de/programm/978-3-89670-778-9)
„Und das Gute ist, dass meine Opfer meistens gar nicht wissen, dass
sie in meiner Gewalt sind.“
„Sie behaupten, dass es gut ist zu lernen, Gefühle wahrzunehmen und sie auszudrücken.
Ich hasse das!“
Der Film beginnt wie eine seriöse Talkshow im Fernsehen. Die Gastgeberin –
Psychotherapeutin von Beruf, wie sich später herausstellt – sitzt auf einem hellbraunen
Ledersofa in einem dunklen Raum. Sie stellt den Gast des Tages vor: Morton Mies. Der da
etwas ungelenkig über die Rücklehne des Sofas klettert und dort mit Respektabstand Platz
nimmt, ist eine Puppe im Rollkragenpulli mit funkelnden schwarzen Augen und klobigen
Händen: die personifizierte Depression. Im Gespräch wird Morton Mies der Gastgeberin
erklären, mit welchen Strategien er Menschen unter seine Kontrolle bekommt und wie er sie
daran hindert, sich zu befreien. Er wird, dank hartnäckiger Fragen seines Gegenübers, auch
die eine oder andere Schwachstelle preisgeben und schließlich, im zweiten Teil des
Gesprächs, entnervt und geschwächt das Feld räumen, als seine Gesprächspartnerin allzu klar
Möglichkeiten anspricht, wie Menschen die Depression bekämpfen können.
Tatsächlich gelingt es im Verlauf des Gesprächs, die „Methode“ dieses fiesen Kerls recht
anschaulich zu machen. Allerdings fällt es anfangs gar nicht so leicht, die paradoxe
Darstellung zu durchblicken und die Aussagen aufzunehmen: Wer spricht da über sich? Wer
sagt da, was ihm nutzt und was ihm schadet, wer sind seine Opfer? Mit der Zeit kann man
dem besser folgen; mit der Zeit wird Mies – und somit die Mechanismen der Depression –
greifbar: er wird nervös, wenn von Angehörigen die Rede ist, die wirklich zuhören; er empört
sich über die schamlosen Offenheit, mit der in der Öffentlichkeit Werbung für Medikamente
gemacht wird oder Prominente über ihre Depression reden. Etwas irritierend ist lediglich, dass
Morton Mies die unter seiner Kontrolle stehenden Menschen an einigen Stellen als seine
„Fans“ bezeichnet.
Streckenweise beruht der Text zu stark auf dem geschriebenen Wort. Für jemand, der mit der
Thematik noch wenig vertraut ist, wird gerade von den etwas umständlicher und in langen
Sätzen formulierten Ausführungen nicht alles aufnehmen können. Umso eindrücklicher sind
jene Passagen, in denen das Figurenspiel und die „dramatische Form“ stärker zum Zug
kommen.
Die zwei Gespräche – „Wie die Depression siegt“ und „Wie die Depression scheitert“ –
decken wesentliche Aspekte der Depression ab: ihre Symptome und Mechanismen,
Auswirkungen auf das soziale und Berufsleben; die Rolle von Angehörigen und
gesellschaftliche Faktoren; Einflüsse, die sie begünstigen, und Maßnahmen, die helfen.
Freilich können viele Bereiche nur gestreift werden, doch ihre Relevanz wird deutlich
gemacht. Und irgendwann taucht die spannende Frage auf: was sind eigentlich die Motive
dieses miesen Typen? Über die tieferen Ursachen der Depression erfährt man wenig … doch
das würde Inhalt und Absicht dieses Werks wohl sprengen. Vielmehr ist beachtlich, wie gut
es „Morton Mies“ in Anbetracht der Komplexität des Themas gelingt, einen ersten Zugang
und Überblick zu schaffen.
Die DVD „Morton Mies. Wie die Depression siegt und wie sie scheitert“ wurde von drei
Mitarbeiter/innen des Instituts für Systemische Therapie in Wien entwickelt. Die Idee, die
Depression als Handpuppe zum Sprechen zu bringen, stammt vom japanischen Psychiater
Yasunaga Komori. Dem liegt, wie der Begleittext zur DVD erklärt, eine Methode der
systemischen Therapie zugrunde: die Externalisation. Während im Therapieprozess solche
Figuren langsam entwickelt werden, wurde für die DVD sozusagen ein verdichteter, „fertiger“
Charakter gestaltet.
Zielgruppe sind zum einen Betroffene und Angehörige (ab 12 Jahren); darüber hinaus kann
die DVD zur Weiterbildung eingesetzt werden – etwa für Lehrer/innen, Ärzte und Ärztinnen
oder Sozialarbeiter/innen. Die DVD enthält sowohl den Film als auch die Texte dazu in
deutscher und in englischer Sprache.
Gastrezension von Kormoranin
Titel: Morton Mies - Wie die Depression siegt und wie sie scheitert
Format: DVD
Verlag: Carl-Auer (ISBN 978-3-89670-778-9)